Restauratorisches Gutachten
Auszug

Die von Karl Völker geschaffenen vierzehn Deckengemälde sind Teil der bildnerischen Ausgestaltung des Kircheninnenraums von 1921/22. In Maß und Form den einzelnen Feldern angepasst, wurden die Spannrahmen in die historische Kassettendecke eingesetzt. Der Gemäldezyklus von elf auf Spannrahmen aufgezogenen Leinwandbildern wird von zwei in die Szenerie einführenden Landschaften und einer monochrom grünen Fläche über dem Kanzelaltar ergänzt, die auf eine dünne Papierkaschierung gemalt sind. Das grobe Gewebe der Malgründe und dessen Nutzung bis auf den letzten Zentimeter sind Ausdruck der Mangelsituation nach dem Ersten Weltkrieg.

1995 wurden die Gemälde erstmalig im Hinblick auf eine Restaurierung begutachtet. Schon damals wurde der dringende Restaurierungsbedarf deutlich und es zeigte sich, dass die Bilder nicht vor Ort restauriert werden können. Auch die Instandsetzung der Holzdecke war von vornherein Bestandteil der Konservierung des von Karl Völker gestalteten Kirchenraumes. Unter den wechselnden Prämissen unterschiedlicher finanzieller Voraussetzungen und angsichts der eingeschränkten Möglichkeiten der Evangelischen Kirchgemeinde Schmirma wurden mehrfach Restaurierungskonzepte erstellt und um Geldmittel geworben.

Die Schäden

Die im Atelier entstandenen Gemälde waren mit langen Nägeln durch Bildschicht und Spannrahmen gegen die Holzdecke genagelt worden. Rost und Materialermüdung der Nägel sorgten zunehmend für Instabilität. Eindringendes Regenwasser als Folge des undichten Kirchendaches verschlechterte den Zustand der Decke und hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Gemälde. Immer wieder standen Pfützen auf den Gemälderückseiten und trockneten langsam ein. Die Auszehrung des Gewebes, der Bindemittelabbau in Grundierung und Malschicht und Ausschwemmungen derselben waren die Folgen. In den mehrfach betroffenen Partien führte das bis zur substanziellen Auflösung von Form und Farbe. An vielen Bildern haben sich gestaffelte Ringe von dunklen Wasserrändern ausgebildet, in denen sich neben Schmutz aus dem Dachstuhl ausgeschwemmte ölhaltige Substanzen, vermutlich Rückstände von Holzschutzbehandlungen, ablagerten. Zudem griffen Verschmutzung und Rußinfiltrationen, verursacht durch die jahrelange Beheizung der Kirche mit einem Kanonenofen, die Substanz der Malschicht stark an. Diese Art der Beheizung sorgte für ein ungünstiges Mikroklima im Deckenbereich. Aufgrund der enormen Temperaturunterschiede kondensierte die warme aufsteigende Luft und erzeugte ein feuchtkaltes Milieu, das den allgemeinen Bindemittelabbau forcierte. Die Gemäldeoberflächen sind in ein dichtes Netz aus Spinnenweben eingewoben. An erhabenen Punkten des groben Gewebes, dem sogenannten Leinwandkorn, dockten die Fäden an. In Verbindung mit dem Bindemittelabbau und der durch die Spinnenfäden ausgelöste Spannung im Makrobereich führte dies zu winzigen punktuellen Malschichtverlusten.

Die langen Zeiträume unter ungünstigen klimatischen Bedingungen wirkten sich auch negativ auf die Elastizität der Leinwände aus und sorgten an einigen Gemälden für das Abreißen vom Spannrahmen. Der Verlust an Spannkraft führte zum Durchhängen der Leinwände. Die nun ungebremste Bewegung der Gewebefasern während der Feuchtigkeitsaufnahme und -abgabe hatte wiederum unmittelbare Auswirkungen auf den Verbund von Grundier- und Malschichten mit dem Bildträger, da diese im Gegensatz zum Gewebe ein starres System sind. Von der Decke fallende Teile, rieselndes Holzmehl und sogar ein verirrter, auf der Bildrückseite verendeter Vogel hatten an einigen Gemälden Risse und Löcher im Gewebe zur Folge.

Bildgenese und verwendete Materialien

Der Bilderzyklus ist monumental angelegt und durch seine klare Primärfarbigkeit von großer Leuchtkraft. Das Geheimnis dieser Wirkung liegt im Zusammenspiel eines groben Gewebes als Malgrund und der Verwendung von Kasein als Bindemittel für Grundierung und Pigmente. Es handelt sich dabei um den aus der Milch gewonnenen Käsestoff. Kaseingebundene Malerei, eine alte historische Maltechnik, fand vornehmlich in der Wandmalerei, der Bemalung von Ausstattungsstücken und Möbeln sowie in der Tafelmalerei auf Holz Anwendung. Als Technik der Leinwandmalerei ist sie eher selten anzutreffen. Die Verarbeitung von Kasein als Bindemittel in Verbindung mit einem textilen Bildträger braucht Erfahrung und Wissen, über das Karl Völker als ausgebildeter Kirchen- und Dekorationsmaler verfügte.

Das in Wasser unlösliche Kasein wird mit Hilfe von alkalischen Verbindungen zu Leim aufgeschlossen, wobei Unverträglichkeiten bestimmter Pigmente mit dem Bindemittel zu beachten sind. Die starke Bindekraft des Kaseins ermöglicht den Auftrag sehr dünner Grundierungs- und Farbschichten, die wasserunlöslich auftrocknen. Im Vergleich zu anderen Bindemitteln besteht dabei die Gefahr der Überleimung. Kaseingebundene Farbaufträge sind matt und schon in dünner Schicht in Abhängigkeit der Brechungsindizes der Pigmente deckend. Entsprechend der Modellierung können sie zu halbtransparenten Lasuren ausgestrichen werden. Durch Überlagerung dieser Farbschichten entstehen optisch Mischtöne, die zwischen den leuchtenden Lokalfarben vermitteln.

Karl Völker nutzte die Vorzüge der Materialien und wählte als Bildträger Jute, deren grobe Struktur durch die dünnen Grundier- und Farbschichten kaum nivelliert wird. Die körnige Leinwandoberfläche sorgt für eine Lichtstreuung, die besonders dem Blau zu intensiver Strahlung verhilft. Die Verwendung eines wasserunlöslichen Bindemittels mit der Eigenschaft, im Alterungsprozess kaum zu vergilben und somit die Leuchtkraft der Pigmente unverändert zu bewahren, zeigt auf, dass Völker seine Maltechnik bewusst den Gegebenheiten im Kirchenraum angepasst hat.

Vorzeichnung und Pigmentfarbtöne

Die Kohle-Vorzeichnung wurde auf weißer Grundierung mit Gips als Füllstoff ausgeführt. Der erste darauffolgende flüssige Farbauftrag nahm den Kohlestrich teilweise mit sich. Das Kohle-Pigment vermischte sich stellenweise mit der Farbe, wodurch im Konturbereich schon in der ersten Anlage interessante Zwischentöne entstehen. Teilweise blieb der Kohlestrich auch stehen.

Dem Farbton nach bezeichnet, wurden folgende Pigmente verwendet: Weiß, kühles helles Gelb, Ocker, Terra di Siena gebrannt, Zinnoberrot, Krapprot, Kassler Braun, Ultramarin und Preußischblau. Weiß als Farbpigment wurde sehr sparsam eingesetzt. Es tritt nur in der Ausmischung mit Krapprot zu mehr oder minder kräftigen Rosatönen auf, in den Inkarnaten oder als Beimischung zur Aufhellung von Blau. Vielmehr wirkt die weiße Grundierung als Reflexionsfläche für die opaken Farblagen und ist Folie der Lichthöhungen. Gelb als reiner Lokalton ist selten anzutreffen. In der Untermalung der Lichtaura des Gekreuzigten tritt es leuchtend in Erscheinung, sonst nur als Beimischung in variierenden Anteilen zum Preußischblau für die Grüntöne. Ocker und Krapprot sind ebenfalls kaum als Lokalfarben vertreten. Kassler Braun findet sich bei der abschließenden Akzenturierung der Formen.

Die Harmonie des Zyklus basiert auf der landschaftlichen Bühne fast aller Szenen, dominiert von gebrannter Terra di Siena und stufenlosen Ausmischungen von Grüntönen von warm nach kalt. Dagegen gesetzt ist das Himmelsblau, in dem beide Blaupigmente kombiniert auftreten. Zur Aufhellung des Himmels wurde dem Ultramarin Weiß beigemischt. Die Verdunklung zum Nachthimmel entsteht durch die Überlagerung von Ultramarin mit Preußischblau. In ähnlicher Weise dient das Ultramarin zur Untermalung von blauen Gewändern, bei denen die Schatten mit Preußischblau vertieft sind. Im dunklen Umfeld zeigt Blau seine intensivste Leuchtkraft. Der reduzierte Lichteinfall im Deckenbereich des Kirchenraums begünstigt die Strahlkraft der blauen Flächen.

Restaurierung

Die erste konservatorische Maßnahme nach der Abnahme der Gemälde von der Kirchendecke war die Oberflächenreinigung in Verbindung mit einer umfassenden Malschichtkonsolidierung. Kasein als Bindemittel in Grundierung und Malschicht stellt besondere Anforderungen an die Technologie der Malschichtkonsolidierung. Darüberhinaus musste den besonderen klimatischen Bedingungen im Kirchenraum Rechnung getragen werden. Die Gemälde wurden von den Spannrahmen genommen und zunächst Deformationen planiert, Risse gesichert und die Spannränder stabilisiert.

Abgesehen von den durch Wassereintrag geschädigten Partien hat der Abbau des Bindemittels zu einer latenten Pulverisierung der Farbschicht und stellenweise auch der Grundierung geführt. Dies erforderte das berührungsfreie Einbringen von Klebemittel, um die Haftung zwischen Bildträger, Grundierung und Farbschichten zu stabilisieren. Die Herausforderung bestand darin, die Haftung soweit zu verbessern, dass die Oberflächenreinigung ermöglicht wird. Zur nachhaltigen Konsolidierung wurde die Malschichtfestigung in einem nächsten Arbeitsgang wiederholt, wobei die matte Oberfläche der Malerei erhalten bleiben musste.

Daraus leiteten sich konkrete Anforderungen an das Klebemittel bezüglich der Klebwirkung bei geringer Konzentration, des Glanzverhaltens und der Viskosität ab. Zur Einbringung des Klebemittels wurden verschiedene Sprüh- und Vernebelungsverfahren getestet, wobei sich ein manuelles Verfahren als am besten steuerbar erwies. Voraussetzung war die gute Spannung der Leinwände.

Hierzu mussten die knappen und instabilden originalen Spannränder mittels einer Anränderung verstärkt und die Leinwände auf Interimsrahmen gespannt werden.

Die Spinnwebenteppiche wurden zuvor mit äußerster Vorsicht abgetragen. Punktuell musste dabei mit Verklebungen der Malschicht gearbeitet werden, um das Abreißen der Andockpunkte der Spinnenfäden zu vermeiden. Erst im Moment der beginnenden Haftung der Bildschichten ließ sich Oberflächenschmutz durch vorsichtiges Abtupfen mit eigens zugeschnittenen Mikroschwämmen entfernen. Unterstützt wurde der Arbeitsgang durch die Anwendung von Trockendampf. Der langwierige Prozess ging mit der Durchfeuchtung von Bildschicht und Gewebe einher, die möglichst gering zu halten war, um die zu starke Kontraktion des Gewebes zu vermeiden. Zudem besteht bei zu starker Durchfeuchtung die Gefahr der Reaktivierung von Kapillareffekten und die Tendenz zu neuer Fleckenbildung. Die Behandlung der Wasserränder bedurfte einer gesonderten Maßnahme mittels lösemittelhaltiger Kompressen.

Das Gemälde »Anbetung« wies neben den Schädigungen der Malschicht infolge stehenden Regenwassers auf der Rückseite auch eine große Perforation des Bildträgers auf. Die strukturellen Veränderungen im Gewebe machten das Zusammenziehen der Rissränder unmöglich, so dass das Einsetzen einer Leinwandintarsie nötig wurde. Ein Jutegewebe von gleicher Qualität konnte nicht ausfindig gemacht werden. Als adäquat in Fadenzahl und Struktur erwies sich ein historisches Stück Leinwand aus dem Bestand der Restaurierungswerkstatt, ursprünglich eine Hinterspannung eines barocken Altarblattes. Gewaschen, gebrüht und mit gestocktem Leim einseitig beschichtet, wurde die Intarsie der Fehlstelle nach ausgeschnitten, um sie auf Stoß in die Originalleinwand einzusetzen. Mittels herauspräparierter Fäden, die nach allen Seiten über die Fläche hinausführen, konnte die Intarsie rückseitig am Original verankert werden. Um ihre Eigenbewegung zu minimieren, wurde Leimspachtel aufgezogen und schmale Japanpapierbrücken sowie ein gazeartiges Gewebe, genannt Käseleinen, auf der Gemälderückseite appliziert. Grundiert wurde die Intarsie mit einem Gips-Kasein-Grund.

Den Abschluss der Arbeiten bilden die Retuschen von Fehlstellen und die farbige Sättigung ausgewaschener Bereiche. Die punktuelle Retusche erfolgt mit konfektionierten wasserlöslichen Gouachefarben. Die Sättigung wird durch das Einstupfen von Pigment hervorgerufen. Als Bindemittel der Pigmente dient Hausenblase (Fischleim); teilweise werden sie auch in eine Leimnetze trocken getupft.

Uta Matauschek

Die Restauratorin Uta Matauschek hat das Projekt seit der frühen Planungsphase Mitte der 1990er Jahre begleitet und die Deckengemälde gemeinsam mit Sybille Kreft hinwendungsvoll und fachgerecht restauriert.

Spenden

Wir freuen uns über Ihre Spende zur Restaurierung der von Völker Anfang der 1920er Jahre neugestalteten Holzeinbauten der Schmirmaer Kirche: der Altarwand, des Kirchengestühls und der Empore!

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